Case Study (7/8): TOGAF statt Blindflug
- Jan Böckelt

- 8. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Okt.
Phase F – Migration Planning

Von der Roadmap zur Realität – wie Planung den Wandel absichert
In den vorigen Teilen unserer Blogserie hat das fiktive Unternehmen in2GlobalTech mit TOGAF schon eine beeindruckende Strecke zurückgelegt: Von der Preliminary Phase, in der die Grundlagen gelegt wurden, über die Architecture Vision (Phase A), die das „Big Picture“ skizzierte, bis hin zu den Business-, Informations- und Technologiearchitekturen (Phasen B–D). Mit Phase E wurden Chancen bewertet, Lösungsoptionen geschnürt und eine Roadmap entworfen, die den Weg vorgibt.
Jetzt steht der Moment an, in dem aus Vision und Strategie ein konkreter Umsetzungsplan wird: Phase F – Migration Planning. Hier geht es um nichts weniger als die Brücke zwischen Konzept und Realität. Denn eine Transformation gelingt nicht allein durch gute Ideen, sondern durch die Kunst, diese strukturiert, nachvollziehbar und risikobewusst in die Praxis zu überführen.
Struktur statt Chaos: Was Phase F ausmacht
Die Migration Planning-Phase im TOGAF Framework ist der Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum geht, von der Zielarchitektur in die Umsetzung zu kommen. Während Phase E die möglichen Wege skizziert hat, legt Phase F den exakten Fahrplan fest.
Dabei geht es nicht nur darum, Projekte aufzulisten – vielmehr entsteht eine ganzheitliche Planung, die Ressourcen, Zeit, Abhängigkeiten und Risiken zusammenführt. TOGAF spricht hier von einem Implementierungs- und Migrationsplan: ein Masterdokument, das sowohl kurzfristige Schritte als auch langfristige Transformation berücksichtigt.
Das Ziel: eine kontrollierte, transparente Migration, die den laufenden Betrieb so wenig wie möglich stört und trotzdem Schritt für Schritt das Zielbild Realität werden lässt.
Vier Dimensionen der Migrationsplanung
Damit dieser Übergang gelingt, verknüpft TOGAF die Migrationsplanung eng mit den etablierten Management-Prozessen eines Unternehmens. Vier Dimensionen sind dabei entscheidend:
Business Planning – Die Unternehmensstrategie bleibt das Leitmotiv. Jedes Projekt muss sich an den langfristigen Geschäftszielen messen lassen, sonst verliert die Transformation ihre Richtung.
Enterprise Architecture – Die Zielarchitektur wird auf ihre Konsistenz mit Standards, Prinzipien und bestehenden Strukturen geprüft. Nur so entsteht ein tragfähiges, nachhaltiges Design.
Portfolio- und Projektmanagement – Die geplanten Migrationsprojekte werden in die bestehende Projektlandschaft integriert. Das sorgt für Transparenz über Ressourcen, Abhängigkeiten und Zeitpläne – und verhindert, dass sich Initiativen gegenseitig blockieren.
Operations Management – Der laufende Betrieb darf während der Umstellung nicht ins Straucheln geraten. Deshalb werden frühzeitig Maßnahmen eingeplant, um Stabilität und Effizienz auch während der Migration sicherzustellen.
Durch diese mehrdimensionale Abstimmung wird Migration nicht zur isolierten IT-Übung, sondern zu einem integralen Teil der Unternehmensentwicklung.
Vom Arbeitspaket zum Projekt
Doch wie sieht das praktisch aus? In Phase F werden die zuvor identifizierten Arbeitspakete detailliert beschrieben: mit klaren Zielen, erwarteten Ergebnissen, Verantwortlichkeiten und Ressourcen.
Ein Arbeitspaket wie die Migration sensibler Daten in die Cloud wird nicht nur als technische Aufgabe verstanden, sondern bekommt ein klares Zielbild, einen Zeitraum, definierte Risiken und Maßnahmen zur Risikominimierung. So wird Transparenz geschaffen – und gleichzeitig eine Grundlage, die Arbeitspakete zu konkreten Projekten zu bündeln.
Diese Projekte wiederum werden in ein Programm- oder Portfoliomanagement eingebettet. Das Ergebnis: Ein strukturiertes Gesamtbild, das kurzfristige Quick Wins ebenso abbildet wie langfristige strategische Transformation.
Prioritäten setzen: Kosten, Nutzen, Risiken
Ein zentrales Element von Phase F ist die Priorisierung. Welche Maßnahmen bringen den größten Mehrwert – und welche bergen das größte Risiko?
TOGAF empfiehlt eine Kosten-Nutzen-Analyse, kombiniert mit einer Risikoüberprüfung. So wird für jedes Arbeitspaket transparent, wie viel Aufwand es verursacht, welche Vorteile es verspricht und welche Risiken beachtet werden müssen.
Das Beispiel Cloud-Migration zeigt es deutlich: Der Nutzen – sichere, skalierbare Dateninfrastruktur – ist hoch. Gleichzeitig birgt sie Risiken wie Datenverlust oder Downtime. Nur wenn beides gegeneinander abgewogen und mit Backup-Strategien, Testmigrationen und klarer Zeitfensterplanung unterlegt wird, lässt sich die Priorität sauber festlegen.
Diese Kombination aus wirtschaftlicher Betrachtung und Risikobewertung sorgt dafür, dass Ressourcen genau dort eingesetzt werden, wo sie den größten Hebel für das Unternehmen haben.
Der Masterplan: Migration mit Methode
Der Implementierungs- und Migrationsplan ist das Rückgrat der Umsetzung – und das zentrale Steuerungsinstrument von Phase F. Er entsteht in einem strukturierten, mehrstufigen Prozess, der alle priorisierten Arbeitspakete analysiert, Abhängigkeiten aufzeigt und sie in einem verbindlichen Zeitplan ordnet.
Für jedes Projekt werden Meilensteine, Verantwortlichkeiten und Ressourcen klar definiert und zu einem transparenten Gesamtplan zusammengeführt. Parallel werden Risiken und mögliche Störungen des laufenden Betriebs bewertet – etwa durch Testmigrationen, Backup-Konzepte oder abgestimmte Wartungsfenster. Ziel ist eine kontrollierte, stabile Umsetzung, die den laufenden Betrieb schützt und gleichzeitig die Transformation vorantreibt.
Der finale Plan wird mit den relevanten Stakeholder*innen abgestimmt, dokumentiert und regelmäßig überprüft. So bleibt die Migration nachvollziehbar, steuerbar und eng mit den Unternehmenszielen verzahnt.
Was sich auf dem Papier nüchtern liest, ist in der Praxis ein Balanceakt: zwischen Geschwindigkeit und Sicherheit, Veränderung und Stabilität. Der folgende Plan zeigt, wie in2GlobalTech diese Balance Schritt für Schritt meistert.
Arbeitspaket | Meilenstein | Verantwortlichkeit | Ressourcen | Zeitraum | Risiken | Maßnahmen zur Risikominderung |
1. Analyse der bestehenden Infrastruktur | Abschluss der IST-Analyse | IT-Architekturteam | Systemanalysten, Inventarisierungssoftware | KW 1–2 | Unvollständige Bestandsaufnahme | Schulung, Checklisten, Review durch externen Experten |
2. Migration der Daten in die Cloud | Erfolgreiche Übertragung kritischer Daten | Cloud-Administrator | Cloud-Storage, Migrations-Tools | KW 3–5 | Datenverlust, Downtime | Backup-Strategie, Testmigration, Zeitfensterplanung |
3. Einführung von Microsoft Teams für Kollaboration | Teams für alle Standorte aktiv | Change Management Team | Microsoft 365 Lizenzen, Schulungsmaterial | KW 6–7 | Akzeptanzprobleme bei Mitarbeitenden | Schulungen, Pilotgruppen, Feedback-Runden |
4. Implementierung von Entra ID für sicheren Zugriff | Abschluss der Authentifizierungsintegration | Security-Team | Entra ID, Authentifizierungsserver | KW 8–9 | Fehlkonfigurationen, unerlaubte Zugriffe | Penetrationstest, Zugriffsrichtlinien, Monitoring |
5. Gerätemanagement und Mobile Device Management (MDM) | Alle Geräte im MDM-System registriert | IT-Support | MDM-Software, Geräteinventar | KW 10–11 | Geräte nicht auffindbar, Kompatibilitätsprobleme | Geräte-Tagging, Kompatibilitätstests, Supporthotline |
6. Abschluss & Review | Abschlussbericht, Lessons Learned | Projektleitung | Berichtsvorlagen, Feedbackbögen | KW 12 | Unvollständige Dokumentation | Standardisierte Vorlagen, Review-Meetings |
So entsteht ein klar strukturierter, messbarer und steuerbarer Prozess, der Risiken nicht verdrängt, sondern aktiv managt. Durch definierte Verantwortlichkeiten, abgestimmte Ressourcen und transparente Kommunikation wird der Migrationsplan zum echten Masterplan des Wandels – praxisnah, kontrolliert und im gesamten Unternehmen verankert.
Dokumentation & Lessons Learned
Phase F ist mehr als ein Planungsprozess – sie schließt auch den Kreis der Architekturarbeit. Alle gewonnenen Erkenntnisse fließen zurück ins Architecture Definition Document und die Architecture Roadmap.
Am Ende steht nicht nur ein Fahrplan für die Umsetzung, sondern auch eine Sammlung von Erfahrungen und Best Practices, die künftige Projekte effizienter und sicherer machen.
Fazit & Ausblick: Von der Idee zur Umsetzung
Phase F zeigt: Erfolgreiche Migration ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis klarer Strukturen, realistischer Pläne und konsequenter Risikosteuerung. Sie bildet die Brücke zwischen der konzipierten Zielarchitektur und ihrer praktischen Umsetzung – und legt den Grundstein für eine IT-Landschaft, die nicht nur geplant, sondern gelebt und genutzt wird.
Doch Planung allein reicht nicht. Im nächsten Schritt geht es darum, wie die Umsetzung gesteuert und überwacht wird. Phase G – Implementation Governance beantwortet, wer den Wandel kontrolliert, wie Fortschritte messbar bleiben und wie sichergestellt wird, dass die Vision auf Kurs bleibt.
Am Ende zeigt sich: Gute Planung ist kein bürokratischer Selbstzweck, sondern das Navigationssystem des Wandels – sie macht Komplexität beherrschbar und Fortschritt messbar.






